Am Steuer – als Ärzt:in zielgerichtet durch die Basisausbildung
28. Februar 2025 | Zuletzt aktualisiert am 14. März 2025

Ich bin an Deck eines Segelboots auf der Adria. Mein Blick geht nach vorn – auf das Ziel gerichtet. Der Wind drückt kräftig in die Segel, die Wellen sind hoch, der Kurs ist gesetzt. Der Autopilot hält das Boot auf Linie, doch ich weiß: Das ist kein Moment, um sich zurückzulehnen. Ich muss wachsam bleiben, bereit, einzugreifen, wenn der Wind dreht oder eine Böe zu stark wird. Die See folgt ihren eigenen Regeln – und es ist meine Aufgabe, den Weg zum Ziel zu finden.
So ist es auch in der ärztlichen Laufbahn: Wir können nicht jede Welle kontrollieren, aber wir können lernen, unseren Kurs zu halten. Die Basisausbildung ist eine dieser intensiven Passagen – voller Herausforderungen, und damit auch voller Möglichkeiten zur Orientierung. Wer einfach nur mit dem Strom treibt, kommt vielleicht irgendwo an. Wenn Sie jedoch bewusst steuern, können Sie gezielt dorthin segeln, wo Sie hinmöchten.
Auf See lernt man Demut – und Selbstvertrauen. Genau wie in der Basisausbildung. Sie erkennen, wann Sie sich auf die vorhandenen Strukturen (den Autopiloten) verlassen können, und auch, wann es Zeit ist, selbst das Ruder in die Hand zu nehmen. Und vor allem: Sie lernen, mit Unsicherheiten umzugehen. Denn es gibt keinen perfekten Kurs – nur die Fähigkeit, sich immer wieder neu anzupassen.
Dafür braucht es auch Selbst-Bewusstsein und die Fähigkeit sich selbst zu reflektieren.
Der Artikel ist für alle, die sich für die Steuerung der eigenen Entwicklung interessieren. Ganz besonders jedoch für Ärzt:innen in Ausbildung UND für Ärzt:innen, die diese Ärzt:innen ausbilden, also Lehrende in der Medizin.
Das eigene Leben steuern – die Basisausbildung nutzen
Ähnlich wie auf See fühlt sich oft auch die ärztliche Laufbahn an. Gerade in der Basisausbildung kann es sich anfühlren, als würden Sie durch raues Wasser navigieren – viel Neues, hohe eigene Erwartungen, unklare Erwartungen von außen, wenig Kontrolle. Gerade hier gilt: Wer den Kurs bewusst setzt, kann die Strömung nutzen, anstatt nur mit ihr zu treiben.
„Der ist doch fremdgesteuert!“, hat einen negativen Beigeschmack. „Die ist ja selbstgesteuert“, hab ich noch nie gehört. Dabei wäre das wundervoll, wenn jeder Mensch selbstgesteuert wäre.
Was ich damit meine?
Sie steuern Ihrem Ziel entgegen. Sie schauen immer wieder mal, ob Sie vom Kurs abgekommen sind und greifen bei Bedarf korrigierend ein.
Was brauchen Sie um gut steuern zu können?
- Sie haben ein Ziel, also z.B. Matura zu machen, Tischlerin zu werden, 5 Kinder zu bekommen, eine Prüfung zu schaffen oder eine bestimmte Ausbildung positiv abzuschließen. Whatever – es ist Ihr Ziel. In Fall der Basisausbildung stellen Sie sich jetzt kurz die Frage: Was wollen Sie am Ende können?
- Sie kennen Ihren Ausgangspunkt und wissen, wo Sie jetzt stehen. Sie wissen, was Sie können, was Sie nicht können bzw. wissen, was Ihnen noch fehlt, um dieses Ziel zu erreichen.
- Sie wissen, wie Sie das Ziel erreichen können, also welche Methoden, welche Verhaltensweisen, welche Gewohnheiten Sie unterstützen könnten. Beispiel: wenn Sie sich angewöhnen täglich eine Stunde nach dem Abendessen (das ist für die meisten eine Gewohnheit, das Abendessen) zu lernen bzw. nachzuschlagen, wo Ihnen tagsüber eine Antwort fehlte, steigert das Ihr Wissen über die Zeit enorm.
Klar braucht es dazu Disziplin und Ausdauer, diese Gewohnheit erstmal aufzubauen. Ist das aber mal zur Gewohnheit geworden, braucht es nur mehr wenig Energie. Ein No-Brainer! Es ist wie Zähneputzen! - Dann machen Sie sich einen Plan, wie Sie dorthin kommen. Sie legen fest, was Sie wann machen und halten sich daran. Easy – cheesy.
- Zwischendrin überprüfen Sie immer wieder mal, wo Sie stehen und ob Sie noch auf Kurs sind. Gegebenenfalls ändern Sie den Plan ab, passen Ihre Strategien an bzw. halten sich auch wirklich an den eigenen Plan.
Ihr Ziel in der Basisausbildung
Das Ziel in der Basisausbildung laut Gesetz:
„Durch diese klinische Ausbildung sollen alle Ärzte befähigt werden, Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung zu betreuen, den Stationsalltag zu bewältigen und Notfallsituationen fachgerecht betreuen zu können. Ziel ist es auch die häufigsten Krankheitsbilder zu erkennen und der weiteren Behandlung zuzuführen.“
FAQ Ärzte-Ausbildungsordnung, Website der ÖÄK
Haben Sie sonst nocht Ziele für die Basisausbildung? Kennen Sie die Lehrziele der Basisausbildung?
Voilà: Schauen Sie die Lehrinhalte (Anlage 33), besser noch das Rasterzeugnis für Basisausbildung an, drucken Sie sie aus und lesen Sie es mal durch.
Haben Sie es ausgedruckt? Oder zumindest in einem neuen Fenster geöffnet für später? Vielleicht wollen Sie im Verlauf des Artikels noch genauer nachsehen.
Das sind die Lehrinhalte, die Sie am Ende der Basisausbildung, also innerhalb von 9 Monaten, auf einem bestimmten Kompetenzniveau erreicht haben sollten. Es macht Sinn sie zu kennen, wenn Sie diese erreichen wollen. Und ist ja auch mal ganz interessant für alle, die schon lange Ärzt:in sind, was die jungen Kolleg:innen denn da so können sollten.
Ihr Ausgangspunkt für Basisausbildung!
Schätzen Sie sich selbst ein.
Selbsteinschätzung ist ein wichtiges Werkzeug, um zu wissen, wo Sie grade stehen in Bezug auf Ihr Ziel und was Sie jetzt wissen bzw. können und was nicht. Dazu müssen Sie auch selbst-bewusst sein und reflektieren. Das offizielle Ziel der Basisausbildung kennen Sie jetzt und Ihre eigenen zusätlichen Ziele haben Sie für sich schon niedergeschrieben (oder machen es dann nachher gleich 😊).
Bevor Sie sich nun selbst einschätzen können, wo Sie in Bezug auf die zu erreichenden Lehrziele stehen, müssen Sie möglicherweise überlegen, was die hier formulierten Lehrinhalte bedeuten und auch wissen, was die unterschiedlichen Kompetenzniveaus bedeuten.
Das mit den Kompetenzniveaus ist leicht! Es gibt 3 Kompetenzniveaus: Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten. Sind im Gesetz beschrieben, in wundervollem leicht verständlichem Juristen, Deutsch, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
„Kenntnisse“ bezeichnen das theoretische Wissen als Grundlage für die praktische Ausführung ärztlicher Tätigkeiten einschließlich des Wissens über
a) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anderer ärztlicher oder sonstiger gesundheitsberuflicher Tätigkeitsbereiche,
b) die Interpretation von Befunden und Berichten von Ärztinnen/Ärzten anderer medizinischer Fachrichtungen sowie von Angehörigen sonstiger Gesundheitsberufe im Hinblick auf die eigene ärztliche Tätigkeit sowie
c) Maßnahmen zur Patientinnen-/Patientensicherheit, das heißt die Vermeidung unerwünschter Ereignisse, die zum Schaden der Patientinnen/der Patienten führen können.
„Erfahrungen“ bezeichnen jene empirischen Wahrnehmungen ärztlicher Tätigkeiten in aktiver und passiver Rolle im Zuge der Betreuung von Patientinnen/Patienten, die in der Folge im Rahmen der eigenen ärztlichen Tätigkeit verwertet werden sollen.
„Fertigkeiten“ bezeichnen jene ärztlichen Tätigkeiten, die die Ärztin/der Arzt unmittelbar am oder mittelbar für Menschen ausführt, insbesondere die praktische Anwendung bestimmter Untersuchungs- und http://ÄAO 2015 in §3Behandlungsmethoden, einschließlich Fertigkeiten zur Nutzung von digitalen Technologien im Gesundheitssystem, sowie sonstige manuelle technische Handlungen.
Eine kleine Ergänzung: Das Niveau Fertigkeit haben Sie dann erreicht, wenn Sie die jeweilige Tätigkeit selbständig durchführen können. (Das lässt sich aus § 4 der KEF und RZ-V, 2015 ableiten).
Zurück zu den Lehrinhalten im Rasterzeugnis: Sehen Sie jetzt die Fertigkeiten durch, die Sie am Ende der Basisausbildung erreicht haben müssen: Bei manchen wissen Sie sicher sofort, was hier zu tun wäre und können es auch tun, bei anderen ist es nicht ganz so klar.
Mein Beispiel ist immer Lehrinhalt „Feststellung eines Todesfalles“, als ziemlich klar und Lehrinhalt „Sterbebegleitung“ als nicht ganz so klar, was Sie hier selbständig durchführen können sollen. Klarerweise müssen Sie sich für beide Lehrinhalte in weiterer Folge z.B. auch mit den gesetzlichen Grundlagen auseinandersetzen.
Sie sehen, die Einschätzung in Bezug auf ein Ziel braucht Zeit und Zielklarheit. Je klarer Sie Ihr Ziel definiert haben, umso einfacher wird es, Ihren Standort, Ihr aktuelles Kompetenzniveau selbst einzuschätzen. Nehmen Sie sich diese Zeit immer wieder einmal und halten Sie es schriftlich fest, dann überblicken Sie Ihre Entwicklung im Laufe der Zeit.
Es bringt Ihnen wirklich was! Probieren Sie es aus.
Ein Plan für Ihre Basisausbildung
Ärzt:innen in Basisausbildung im Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) haben es hier leicht: Sie erhalten zu Beginn der Ausbildung ihr LOGBUCH Basisausbildung, das sie strukturiert durch die Ausbildung begleitet. Hier ist dieser Lehrzielkatalog, also das Rasterzegnis, mittlerweile gleich 4-mal enthalten, um sich zu Beginn und alle 3 Monate tatsächlich selbst einschätzen zu können.
Im LOGBUCH findet sich aber noch mehr vorgegebene Struktur, die Sie für sich nutzen können.
- Onboarding
- klinische Aufgabenstellung mit Selbstreflexion und Feedback
- Zwischenevaluierung mit Selbsteinschätzung und Einschätzung durch den Supervisor
- klinische Aufgabenstellung mit Selbstreflexion und Feedback
- Abschlussevaluierung SElbst- und Fremdeinschätzung
- Offboarding
Ab dem ersten Tag arbeiten Sie als Arzt / Ärztin. Man nennt es ja auch arbeitsplatzbasiertes Lernen. Während dieser Zeit kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, die Sie tagtäglich Erfahrungen sammeln und kompetenter werden lassen.
Vom Mitgehen bei der Visite, bis zur Visite selber führen, …
Zusätzlich zu Lernzeiten: Planen Sie Zeiten ein, in denen Sie sich selbst einschätzen. Für die Basisausbildung ist alle 3 Monate ein guter Plan, so ist es im LOGBUCH Basisausbildung des WIGEV vorgesehen.
Je nachdem wie Ihre Basisausbildung abläuft, wäre auch am Ende jeder Abteilungszuteilung ein guter Zeitpunkt. Planen Sie die Zeit im Kalender ein.
In den ersten Monaten im Klinikalltag geht es oft ums bloße Funktionieren. Dienstpläne, Routinen, unvorhergesehene Herausforderungen – man ist beschäftigt genug, um kaum Zeit zu haben, das große Ganze zu sehen. Doch genau hier liegt die Chance: Wer früh beginnt, bewusst zu steuern, kann diese Zeit aktiv für sich nutzen.
Fremdeinschätzung
Es soll ja Menschen geben, die schon alles wissen uns können. Falls das Ärzt:innen sind, kann das auch gefährlich sein. Denn meist ist das eher ein Zeichen von falscher Selbsteinschätzung und fehlender Selbstreflexionsfähigkeit.
Deswegen macht es Sinn, diese Fremdeinschätzung geplant in die Ausbildung zu integrieren. Vom Studium kennen Sie das z.B. in Form von Prüfungen. Mit Noten und so. Noten gibt es in der Basisausbildung nicht. Es gibt aber immer eine Überprüfung. Die kann explixit sein, wie bei einer klinischen Aufgabenstellung, bei der Sie gezielt beobachtet werden und Feedback bekommen. Oder sie erfolgt implzit beim gemeinsamen arbeiten.
Für Ärzt:innen in Ausbildung / in Entwicklung
Holen Sie sich Fremdeinschätzung!
Falls sich die Selbsteinschätzung nicht mit der Fremdeinschätzung deckt, ist hier Ihr Entwicklungspotential. Entweder Sie schätzen sich viel schlechter ein, dann sollten Sie an Ihrem Selbstbewusstsein arbeiten, oder Sie schätzen sich selbst wesentlich besser ein, als z.B. Ihr:e ärztliche Supervisor:in, dann sollten Sie an Ihrer Selbstreflexionsfähigkeit arbeiten.
Für Fachärzt:innen, als Lehrende
Als Fachärzt:innen und auch als Lehrenden schätzen Sie immer wieder junge Kolleg:innen ein. Was müssen Sie eigentlich einschätzen bei den jungen Kolleg:innen?
Was können Sie ihnen anvertrauen? Dazu müssen Sie mit ihnen arbeiten, sie beobachten. Ich vermute, es ist für Sie im Laufe der Zeit einfacher geworden, zu wissen, was die Kolleg:innen gut alleine machen können und wo sie Unterstützung oder Kontrolle brauchen. Manche werden mehr Bericht erstatten müssen, als andere.
Wo stehen die jungen Kolleg:innen in Bezug auf das Ziel? Dazu müssen Sie zusätzlich noch wissen, in welcher Ausbildung sich jemand befindet, wie weit er:sie darin ist, um einzuschätzen, was Sie überhaupt realistisch erwarten können. Wir bleiben mal bei der Basisausbildung: Kennen Sie die Lehrziele und wissen Sie, welche davon an Ihrer Abteilung vermittelt werden können? Falls nicht, hier entlang! Was davon kann man an Ihrer Abteilung tatsächlich in welcher Tiefe lernen?
Für sich selbst können Sie natürlich auch gerne Feedback von anderen z.B. den jungen Kolleg:innen einholen, wie Sie als Lehrende:r, Kolleg:in, Ärzt:in wahrgenommen werden.
Feedback
Feedback ist das Teilen der eigenen Fremdeinschätzung mit dem:der Eingeschätzten. [Ist auch viel netter als es mit Dritten zu teilen]. Noch besser für Feedback geeignet: das Teilen der eigenen Wahrnehmung in Bezug auf eine beobachtete Situation.
Feedback beruht per definitionem auf der Freiwilligkeit der Beteiligten. D.h. die eine muss um Feedback fragen, der andere es geben wollen und es sollte ohne Bewertung sein. Spätestens hier tanzten bei mir viele Fragezeichen im Hirn herum. V.a. wenn es sich um eine prüfungsimmanente Situation handelt – wie nicht bewerten? Und wie freiwillig ist das eigentlich?
Es ist nicht immer Feedback (per definitionem) drin, wo Feedback draufsteht. Mag sein, dass Sie eine Rückmeldung von einem „Fremdeinschätzer“ bekommen, die nicht allen Feedback-Regeln entspricht.
Für Feedback gibt es unendlich viele Regeln oder Methoden, wie z.B. die Sandwich-Methode. Da haben sich einige Methoden-Erfinder schier selbst übertroffen. Wählen Sie aus, was für Sie passt. Ich finde, es sollte klar und direkt sein und von Wertschätzung getragen.
Feedback macht was mit Ihnen. Egal, ob Sie es geben oder nehmen. Wenn Sie Feedback bekommen, ist das immer auch ein Geschenk. Auch dann, wenn es ein „negatives“ Feedback ist. Setzen Sie sich damit auseinander, wie Ihre Performance wahrgenommen wird.
Sie haben es in der Hand damit konstruktiv umzugehen.
Dafür braucht es auch Selbstreflexion.
Kurze Reflexion zur Selbstreflexion
Für mich ist Selbstreflexion breiter und tiefer als Selbsteinschätzung: Ich analysiere mein Denken, mein Handeln, mein Fühlen mit dem Ziel etwas über mich selbst herauszufinden und zwar nicht nur über mich als Person, sonder auch über mich als Teil eines Systems (Familie, Team, Gesellschaft, …)
Zur Kompetenzentwicklung während der Basisausbildung im Wiener Gesundheitsverbund
Ich hab diese Kompetenzentwicklung von Ärzt:innen in Basisausbildung im Rahmen meiner Masterarbeit ausgewertet aus diesen Logbüchern. Eine spannende Sache war, dass die selbst eingeschätzte Kompetenz nach einem Abteilungswechsel abnimmt, also die Kompetenzentwicklung vergipfelig verläuft. Ich habe dazu auch einen wissenschaftlichen Artikel veröffentlicht. Dabei wurde auch die Fremdeinschätzung durch supervidierende Fachärzt:innen beachtet.
Quintessenz
Sie halten das Steuer Ihres Lebens in Ihren Händen. Erarbeiten Sie sich Ihr Ziel, haben Sie es im Fokus und setzen Sie Kurs. Schauen Sie regelmäßig, wo Sie stehen in Bezug auf ihr Ziel und korrigieren Sie gegebenenfalls Ihren Kurs / Plan.
Wenn sich Ihre Einschätzung nicht mit der Einschätzung anderer deckt, denken Sie darüber nach: Hier finden Sie Ihr Entwicklungspotential.
Für Ihre Ausbildung ist eine Struktur hilfreich. Im LOGBUCH Basisausbildung finden Sie einen Begleiter, wo Sie Ihre Kompetenzentwicklung sichtbar machen können.